Zuletzt brachten wir das Oratorium „Dein Reich komme“ von Johannes Driessler zur Aufführung. Das packende und dramatisch aufgeladene Stück für Sopran-, Tenor-, Baritonsolo, fünfstimmigen Chor (mit geteiltem Sopran) und Orchester (Holzbläser und Streicher) wurde 1950 beim Kirchentag in Essen uraufgeführt und erlebte schon unmittelbar danach 30 weitere Aufführungen in ganz Deutschland. Während die Kirchenmusik aus dieser Zeit heute oft pauschal als sprödes „Neobarock mit falschen Tönen“ ab qualifiziert und daher nur selten aufgeführt wird, ist „Dein Reich komme“ absolut lohnend. Die Musik ist durch die beiden Pole Homophonie und Polyphonie geprägt: Homophone Parallelführungen, Mixturklänge und Ostinato-Bildungen prägen das Oratorium ebenso wie polyphone Abschnitte, in denen mit höchster Meisterschaft konsequent lineare Stimmführung und komplexe Kontrapunktik eingesetzt werden. In beiden Sphären orientiert sich Driessler durchgängig an einem tonalen Zentrum, was ihn vor harmonischer Beliebigkeit bewahrt, die bei anderen Komponisten dieser Zeit das Genießen der Musik oft erschwert. Die Jugendkantorei hatte das Oratorium 1984 auf Schallplatte aufgenommen und letztmalig im Jahr 2000 unter Leitung von Jochen Steuerwald in Neustadt aufgeführt.