60 Jahre Jugendkantorei 2011
Sechs Jahrzehnte chorische Meisterschaft.
Bachs Weihnachtsoratorium am Sonntag in der Landauer Stiftskirche mit der Evangelische Jugendkantorei der Pfalz.
Die Evangelische Jugendkantorei der Pfalz feiert 60. Geburtstag. Sie tut dies an ihrem Gründungsort Landau mit der Gesamtaufführung des Bachschen Weihnachtsoratoriums. Die sechs Teile erklingen am Sonntag, 6. Februar, 16.30 Uhr, mit Claudia von Tiltzer, Sopran, Margot Oitzinger, Alt, Hans Jörg Mammel, Tenor, Gotthold Schwarz Bass, der Jugendkantorei und dem Leipziger Barockorchester unter Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald in der Stiftskirche.
In den Trümmerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen die Kirchenchöre rasch. Ein Ensemble zur Aufführung der großen Oratorienwerke, Schütz-Motetten oder Bach-Kantaten indes fehlte. Diese „Marktlücke“ hatte Adolf Graf, erster Landeskirchenmusikdirektor und kreativer Neuerer der Musica Sacra im Lande, klug erkannt. So rekrutierte er, seit 1949 Leiter des neu eingerichteten Speyerer Amts für Kirchenmusik, aus Teilnehmern des kirchenmusikalischen Seminars Landau am ersten September-Wochenende 1951 im Predigerseminar 30 stimmbegabte Eleven zur Evangelische Jugendkantorei der Pfalz – eine Herausforderung an, aber auch ein Forum für die Besten zwischen Westrich und Ludwighafen. Wer Aufnahme finden wollte, musste seine Fähigkeiten auf mindestens einem Instrument, beim Blattsingen und in Musiktheorie unter Beweis stellen und sich auf die Präsenz bei etwa 20 Einsätzen im Jahr einstellen. Allein 13 Mal erklang 1956 die h-Moll-Messe. Rund 80 Stimmen „Stammpersonal“ zählte die Jugendkantorei bald und die sangen in unterschiedlichen Besetzungen, aber stets bis auf den letzten Emporenplatz ausverkauften Kirchen.
Längst haben sich Repertoire und Altersstruktur erweitert. Ersteres reicht von der Renaissance bis in die Moderne. Geblieben ist der Probenmodus: immer in den Ferien, zu projektbezogenen Studienphasen von mehreren Tagen, darüber hinaus auf regionaler Ebene über die ganze Pfalz verteilt.
Heinz Markus Göttsche, der 1969 Grafs Nachfolge antrat, formte in charismatischer Weise weiter am herausragenden klanglichen Erscheinungsbild und der inneren Geschlossenheit des Ensembles, das längst auch Talentschmied par excellence war – Künstler mit später klangvollen Namen erwarben sich hier ihr Rüstzeug: Karl Hochreiter, Volker Hempfling, Frieder Bernius beispielsweise. Göttsche vertiefte zum einen die Pflege des Bachschen Oeuvres, erweiterte aber auch das Repertoire, setzte Monteverdi ebenso wie Britten auf den „Spielplan“.
Und die Namen der Solisten lesen sich wie das „Who-is-who“ der damaligen Oratorienszene: Eva Bornemann, Claudia Eder, Ortrun Wenkel, Aldo Baldin, Nigel Rogers und Jakob Stämpfli etwa. Teilnahme an Wettbewerben und eine rege Reisetätigkeit verschaffte der Jugendkantorei auch im europäischen Ausland Reputation. Immer wieder war Paris das Ziel, wo die Konzertorte – Eglise Madeleine, Salle Pleyel – prominent und stets proppenvoll waren.
Nach Göttsches Eintritt in den Ruhestand wurde Rainer Udo Follert Landeskirchenmusikdirektor. Seine kurze Amtszeit als Leiter der Jugendkantorei bleibt vor allem durch die Aufführungen der „Christus“-Trilogie von Felix Draeseke unvergessen.
1995 erhielt Jochen Steuerwald sein Mandat – seit 2008 ist er auch Landeskirchenmusikdirektor und damit die Jugendkantorei wieder gemäß dem Gründungsgedanken verortet. Unter se
inem Dirigat blüht das Ensemble unvermindert weiter, großen Schwerpunkt legt er neben der sorgfältigen Repertoire-Pflege auch immer auf die Publikation zu Unrecht vernachlässigter Werke und nicht zuletzt auf die Pflege des Zeitgenössischen. So rückt im Jubiläumsjahr der weithin unbekannte Komponist Eduard Pütz in den Focus der Feiern: Sein 1997 uraufgeführtes Requiem für Soli, Chor und Orchester wird in mehreren Städten der Pfalz vorgestellt und im Anschluss auf CD eingespielt werden.
(gp)Gertie Pohlit (Die Rheinpfalz 31.01.11)